Warum Philanthropen geduldig sein sollten

Autor: Julian Lindenberg
Warum Philanthropen geduldig sein sollten
Foto: Image by ChatGPT - 06.05.25

Die meisten Menschen spenden, um unmittelbar Gutes zu tun. Geld für die Welt verfolgt einen anderen Ansatz: Wir investieren Spenden, um sie später wirkungsvoller einsetzen zu können. In der Forschung wird dieser Ansatz unter dem Begriff "Patient Philanthropy" diskutiert, unter anderem von Philip Trammell, Ökonom am Global Priorities Institute in Oxford. In diesem Artikel erfährst du, warum wir überzeugt sind, dass es wirkungsvoller ist, einen signifikanten Teil des globalen Spendenaufkommens zu investieren, sodass er langfristig den größtmöglichen gesellschaftlichen Nutzen entfaltet.

Menschen sind systematisch ungeduldig

Forschung aus Ökonomie, Psychologie und Politikwissenschaft zeigt, dass Menschen dazu neigen, zukünftige Bedarfe systematisch geringer zu bewerten als gegenwärtige. Dieser Mechanismus wird in der Ökonomie als Zeitpräferenz bezeichnet, in der Psychologie spricht man vom Present Bias. Er beschreibt die Tendenz, unmittelbare Vorteile überproportional zu bevorzugen, auch wenn spätere Vorteile objektiv größer wären. In experimentellen Studien entscheiden sich viele Menschen beispielsweise lieber für eine kleinere Belohnung sofort als für eine deutlich größere Belohnung in der Zukunft.

Die Folgen dieser systematischen Ungeduld sind vielfältig. Private Haushalte sparen zu wenig für das Alter, selbst wenn sie wissen, dass sie später mehr Mittel benötigen werden (NBER, 2016). Unternehmen konzentrieren sich häufig auf kurzfristige Kennzahlen wie Quartalsergebnisse und vernachlässigen Investitionen in langfristige Innovation und nachhaltiges Wachstum. Auch Regierungen sind von diesem Muster nicht frei: Politische Entscheidungen orientieren sich oft an Wahlzyklen, während Maßnahmen, deren Nutzen sich erst nach Jahrzehnten entfaltet – etwa Klimaschutz, Pandemievorsorge oder Investitionen in die wissenschaftliche Grundlagenforschung – seltener umgesetzt oder finanziert werden. Eine Studie zeigt beispielsweise, dass Länder mit einer stark kurzfristigen Orientierung schwächere Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen (ScienceDirect, 2021).

Das Ergebnis systematischer Ungeduld

Das Ergebnis dieser systematischen Ungeduld ist eine chronische Unterfinanzierung langfristiger Herausforderungen. Während akute Probleme vergleichsweise leicht Spenden und politische Aufmerksamkeit mobilisieren können, bleiben zentrale Themen wie die nachhaltige Bekämpfung der Ursachen von Armut, die Anpassung an den Klimawandel, die Vorsorge gegen Pandemien oder die Förderung von Grundlagenforschung unterfinanziert. Dabei sind es gerade diese strukturellen, sich gegenseitig verstärkenden Probleme, deren Lösung langfristige Planung sowie kontinuierliches Engagement und verlässliche Finanzierung erfordern. Um diesem Present Bias entgegenzuwirken, braucht es Akteure mit einem anderen Zeithorizont: Geduldige Spenderinnen, die die Finanzierungslücke erkennen und ihre Ressourcen dort investieren, wo sie über die Zeit hinweg die größte Wirkung entfalten.

Der Zins der Geduld

Dass Geduld sich auszahlt, lässt sich leicht an einem Beispiel zeigen. Stellen wir uns eine gemeinnützige Organisation vor, die heute 1.000 Euro zur Verfügung hat. Ihr Management steht vor einer Entscheidung: Soll das Geld sofort ausgegeben oder für zehn Jahre investiert werden? Angenommen, die Anlage bringt im Durchschnitt drei Prozent Rendite pro Jahr – nach Abzug der Inflation. Dann hätte die Organisation nach zehn Jahren rund 1.340 Euro statt 1.000 Euro, um damit ihre gemeinnützigen Ziele zu verfolgen.

Ein ungeduldiges Management empfindet diesen Zuwachs als wenig attraktiv. Es unterliegt dem oben beschriebenen Present Bias, bewertet zukünftige Vorteile geringer als gegenwärtige und entscheidet sich deshalb, die 1.000 Euro sofort einzusetzen.

Ein geduldiges Management hingegen erkennt, dass es mit 340 Euro mehr Kapital mehr Gutes bewirken kann. Es ist daher geneigt, das Geld anzulegen und die zusätzlichen Mittel später für den guten Zweck einzusetzen.

Solange geduldige Akteure nur einen kleinen Teil des gesamten Spenden- und Anlagevolumens ausmachen, bleibt ihr Einfluss auf den Zeitpunkt der Mittelverwendung begrenzt. Allerdings profitieren sie von der Ungeduld der anderen: Ihr Anteil an den verfügbaren Mitteln wächst kontinuierlich und durch den Zinseszinseffekt jedes Jahr schneller. Mit der Zeit steigt so ihr relativer Einfluss auf die Verteilung von Ressourcen und den gesellschaftlichen Wandel.

Wichtig ist dabei: Geduldige Akteure investieren nicht unbegrenzt. Sie achten darauf, außergewöhnliche Gelegenheiten nicht zu verpassen, etwa wenn die Einführung neuer Impfstoffe eine sofortige Finanzierung besonders wirkungsvoll macht und Millionen Leben retten kann.

Limitationen und Risiken

Langfristig angelegte Spendengelder sind Risiken ausgesetzt. Wirtschaftskrisen, Inflation oder schlechtes Management können das Kapital mindern. Diese Risiken lassen sich durch Diversifikation, professionelle Verwaltung, transparente Kontrolle und durchdachte Auszahlungsmechanismen (siehe Spendenmethode von Geld für die Welt) reduzieren, aber nicht vollständig ausschließen. Auch besteht das Risiko, dass zukünftige Spendenprojekte ihre erhoffte Wirkung verfehlen. Dieses Risiko besteht jedoch ebenso für unmittelbare Spenden: Auch sie können an Wirksamkeit verlieren, etwa durch schlechte Umsetzung oder veränderte Rahmenbedingungen.

Fazit - Geduld als Strategie

Spenderinnen und Non-Profits unterschätzen systematisch den Wert zukünftiger Bedarfe. Geduld kann hier ein kraftvolles Gegengewicht bilden: Wer heute investiert, anstatt sofort zu spenden, vergrößert sein Spendenbudget und kann es gezielt dann einsetzen, wenn die gesellschaftliche Wirkung am größten ist. Geduldige Spenderinnen wie Geld für die Welt nutzen diese Möglichkeit, langfristige Krisen, wie globale Armut oder Zukunftsprojekte wie Klimaschutz, Grundlagenforschung oder Krisenvorsorge zu unterstützen, Bereiche, die sonst strukturell zu kurz kommen.


Werde zur Patient-Philanthropin: Überzeugt, dass es sinnvoll ist, heute zu investieren, um morgen mehr zu bewirken? Dann bietet dir Geld für die Welt eine transparente, gemeinnützige und steuerbegünstigte Möglichkeit, genau das zu tun. Deine Spende hilft mit, eine gerechtere, sicherere und lebenswertere Zukunft zu schaffen. Was du heute anlegst, kann morgen ein Vielfaches an Wirkung entfalten. Spende jetzt an Geld für die Welt.


Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Konzept der Patient Philanthropy empfehlen wir Philip Trammells Paper Patient Philanthropy in an Impatient World. Wenn du lieber direkt Spenden möchtest, empfehlen wir die Plattform effektiv-spenden.org, eine deutsche Organisation, über besonders effektive Organisationen informiert und ermöglicht die kostenlose Weiterleitung Deiner Spende an diese Organisationen.